Mittwoch, 26. Oktober 2011

In Tenebra V)

V) Die feinen Herren

Als Savara ihn erneut fragte, drehte Skarel sich um und ging ein paar Schritte. Als er zurückkam, das Gesicht vor Schmerz und Sorge verzogen, begann er zu erzählen.
„Sie kamen in der letzten Vollmondnacht. Acht Reiter, die glänzende Rüstung mit einem geölten Tuch eingewickelt, damit sie wie Reisende wirkten und man das Klappern der Plattenpanzer nicht hören konnte. So schöpften selbst unsere besten Wachen keinen Verdacht und ließen sie bis zur Dorfgrenze passieren. Die blanken Schwerter, unter der schweren Kluft verborgen, sahen sie natürlich auch nicht. Sie ritten in unser Dorf , der erste zog seine Klinge und reckte sie dem vollen Mond entgegen. Das Licht des Mondes fing sich in der Klinge und sie sah so rein aus, dass man fast nicht glauben konnte, wie vielen Menschen sie schon den Tod brachte.
Sie haben alle getötet Savara.. alle. Du kennst unser Dorf und weist wie groß es ist. Acht erbärmliche Männer haben sie alle ehrlos und hinterhältig ermordet, so schnell, dass niemand die Chance hatte Alarm zu schlagen. Der einzige der ihnen entkommen ist bin ich, weil ich gerade mit Sachaka durch die Wüste ritt. Die grausame Wahrheit entdeckte ich erst, als ich an der Hütte des Dorfältesten vorbeikam. An der Wand Hing eine teure Schriftrolle. Sie haben das ganze Dorf des Hochverrates angeklagt und sie alle hingerichtet. Der König selbst hat sein Siegel auf dem Siegellack hinterlassen. ER hat es unterschrieben, das Todesurteil für so viele Männer, Frauen und Kinder. Die acht waren königliche Reiter. Sie hatten ein Exempel statuiert. Unser Dorf als schlechtes Beispiel vorgeführt und dadurch gleichzeitig den anderen Stämmen gedroht. Ich habe sie alle gewarnt und jetzt ziehen sie wieder umher wie sie es einst taten, bevor sie sesshaft wurden.“
„Alle?“ Skarel nickte und fing Savara auf die zusammengebrochen war.
Nali stand nur geschockt da und flüsterte vor sich hin, bevor sie in einem Weinkrampf zu Boden glitt. Benjamin nahm sie in den Arm und tröstete sie. „Ach, die arme Kleine“, dachte er. „Sie glaubte noch an die Gerechtigkeit, selbst einen letzten Funken, der aber schon vor langer Zeit nicht mehr zu dem grausamen König gehörte. Sie hatte noch nie Kontakt mit einem seiner Ritter gehabt. Sie stellte sich Ritter immer noch als engelsgleiche Helden in glänzender Rüstung vor, die für das Recht kämpften, aber Benjamin kannte die feinen Herren besser. Er hatte sie erlebt, nach dem feinen Speisen und den Trinkgelagen, die regelmäßig bei Hofe stattfanden. Wie sie dann nach Mädchen grapschten und ihnen unter den Rock fassten. Wenn die jungen Mägde versuchten sich zu befreien, oder um Hilfe zu schreien, schlugen sie sie mit der behandschuhten Hand. Das hübsche Gesicht platzte dann Auf wie eine Reife Frucht, die niemand pflücken konnte, weil de Ritter das Haus der Bauersfrau niedergebrannt hatten, die sonst die wohlschmeckende Frucht zu süßen Kuchen verarbeitet hätte.
Benjamin kannte sie, die feinen Herren. Schlimmer als jeder Bettler auf der Straße, der nie zu solcher Grausamkeit imstande wäre.
Und an diesem Tag schwor sich Benjamin, dass Nali etwas derartiges niemals passieren würde.

„Und wo willst du genau hin, Skarel?“, fragte Savara. „Nun, das weiß ich noch nicht genau.“ „Du kannst doch bei uns bleiben!“ , bot Selena ihm an. Doch Skarel wehrte ab. „Ich will euch nicht zur Last fallen.“ „Ach was, an dem Tag an dem du uns zur Last fällst, springen alle Kerkertüren auf und der König verreckt an einem Knöchelchen, dass sich in seine Luftröhre bohrt und ihn ersticken lässt.“ „Wie kann ich euch jemals dafür danken?“, fragte Skarel. Selena antwortete für Benjamin. „Aber das ist doch überhaupt kein Problem. Aber wenn du dich nützlich machen willst kannst du mit Varel Feuerholz holen gehen. Die Nächte in der Wüste sind eben so gefürchtet ,wie die Hitze am Tage.“

Als die beiden von der Klippe trotteten schluchzte Nali immer noch in Benjamins Armen. Schließlich hob er sie auf und trug sie zu ihrem Zelt. Noch bevor er den Zelteingang öffnete war sie eingeschlafen und selbst im Schlaf entrang sich ihren fast geschlossenen Lippen ab und zu ein gedämpftes Schluchzen. Skarels Neuigkeiten waren nicht für Nalis Ohren gemacht gewesen. Selbst in dem sonst so ruhigen Benjamin war ein unbändiger Hass aufgestiegen. Als Skarel aber geendet hatte, blieb nur noch tiefe Traurigkeit zurück. Nali hatte es noch schlimmer erwischt als ihn.

Als sie jedoch ein paar Stunden später von Efry aus dem Zelt getragen wurde, hellwach und auf seinem Rücken sitzend, war sie schon wieder fröhlich und aufgeweckt wie immer. Benjamin nahm sich vor, sich bei Efry zu bedanken. Er war sich sicher, dass er derjenige war der Nali während ihren Träumen beschützt hatte und sie tröstete. Keiner kannte Nali besser als Efry und es war offensichtlich, dass sie nur wegen ihm nun wieder so unbeschwert auf die Welt sehen konnte, wie sie es in diesem Augenblick tat.

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